„Die Dachrinne aus Kunststoff wurde vor 60 Jahren hier bei Thermoplast erfunden“, sagt Geschäftsführer Aribert Meißner. Nach der Wiedervereinigung hatte das kleine Unternehmen aus Schönhausen die Idee von der Kunststoff-Wickelhülse und eroberte auch den Markt in den alten Bundesländern. Die Elbeflut 2013 zwang den Traditionsbetrieb, noch einmal ganz von vorn anzufangen. Jetzt präsentiert er sich erstmals auf der Hannover Messe.

„Lieber nicht dran rühren“, nicht so gern spricht Aribert Meißner über das Hochwasser 2013. Zum Glück habe er damals nicht gewusst, was auf ihn zukommt mit dem Entschluss, alles wieder neu aufzubauen. Spätestens, wenn er Ortsfremden das Untergangsfoto an der Wand zeigt, weiß jeder wertzuschätzen, was Meißner und die Belegschaft der Thermoplast GmbH in Schönhausen geleistet haben.

Exakt auf 60 Jahre wechselvolle und erfolgreiche Geschichte konnte der Hersteller von Kunststofferzeugnissen blicken, als im Juni 2013 bei Fischbeck der Deich brach. Wassermassen überfluteten das Betriebsgelände östlich der B 107, standen hier über Wochen mehr als anderthalb Meter hoch. Was man auf dem Foto nicht sieht: Die braune Brühe stank, führte Unrat mit sich, war schmierig und ölig. „Wir haben geputzt, um dann doch festzustellen, dass alles abgerissen werden muss“, erzählt der Geschäftsführer.

Thermoplast hatte sich einen Nischenmarkt erobert und einen festen Kundenstamm für Wickelhülsen, Dachrinnen und Spezialanfertigungen aus Kunststoff. Gerade waren die Kredite für die nach 1990 angeschafften Maschinen und Anlagen abbezahlt. „Aber anderthalb Jahre Produktionsausfall kann auch ein treuherziger Kunde nicht überbrücken, ohne sich anderweitig zu orientieren“, sagt Aribert Meißner ohne Groll. Sein Betrieb war beim Wiederaufbau in Vorleistung gegangen und stand kurz vor der Insolvenz, als die Rettung in sprichwörtlich letzter Minute kam: rund elf Millionen Euro aus der Aufbauhilfe Hochwasser 2013.

„Ich habe eine junge Belegschaft, etliche habe ich selbst ausgebildet. Ihnen den Arbeitsplatz hier in der Region zu erhalten, war Motivation und Antrieb zum Weitermachen“, sagt Meißner und erzählt, dass es schon einmal eine Rettungsaktion gab. Als zu Beginn der 1990er Jahre der VEB Thermoplast in eine GmbH umgewandelt wurde, hatte er das Risiko der Betriebsübernahme auf sich genommen. „Das sollte doch nicht umsonst gewesen sein“, sagt der heute 63-Jährige. Er hatte selber bei Thermoplast gelernt und anschließend Gummi- und Plastetechnologie in Fürstenwalde studiert.

Vier Jahre nach dem Hochwasser präsentiert sich das Unternehmen auf der Hannover Messe 2017. „Wir wollen auf unser Spezialsortiment aufmerksam machen“, sagt Aribert Meißner und dass er nicht nur an der Kundengewinnung interessiert ist, sondern auch am Gespräch mit anderen Ausstellern. Möglicherweise könne man voneinander profitieren.

Er öffnet die Tür zu einer der neuen Produktionshallen. Der computergesteuerte Hochleistungsextruder arbeitet beinahe geräuschlos. Nach dem Funktionsprinzip des Schneckenförderers wird hier ein dickflüssiger Kunststoff unter hohem Druck und hoher Temperatur gleichmäßig aus einer formgebenden Öffnung herausgepresst. Das Rohr wird an der letzten Anlage-Station automatisch und präzise genau abgeschnitten. „Dass wir uns hier unterhalten können, ist übrigens der neuen Technik zu verdanken, macht Aribert Meißner auf des Messers Schneidwerk aufmerksam. Die alte Anlage hatte eine Säge mit negativen Begleiterscheinungen wie Materialverlust plus Geräusch- und Staubbelästigung.

Die Wickelhülsen aus Polyethylen sind eine Entwicklung der Thermoplast GmbH und werden vorrangig an Teppich-, Tuch- und Folienhersteller geliefert. „Sie sind wesentlich stabiler als die aus Pappe. Und sie können zu 100 Prozent wieder der Kunststoffproduktion zugeführt werden“, betont Meißner deren Nachhaltigkeit. Thermoplast verarbeitet recycelte Abfälle aus dem dualen System, aus der Flaschenproduktion, auch geschredderte Straßenpfosten finden hier zu neuer Bestimmung.

Die Spritzgussanlage nebenan fährt das Dachrinnenprogramm. In den 1950er Jahren, als Zink in der DDR Mangelware wurde, kamen aus Schönhausen die ersten Kunststoff-Dachrinnen. Bis heute sind Handwerksbetriebe und Baumärkte die Abnehmer. Deren spezielle Wünsche und Anforderungen hätten auch die Weiterentwicklung der Dachrinne vorangetrieben, sagt Meißner und demonstriert an einem Exemplar die neue Festigkeit des Kunststoffes: „Der hält Sonne, Wind und Regen über viele Jahre stand.“ Zudem haben die zehn Köpfe seiner Belegschaft findige Ideen und setzen sie in der firmeneigenen Werkstatt auch gleich geschickt um. Wie beispielsweise den Sonderwunsch eines Kunden: eine Fallrohrklappe für die Dachrinne.

„Wir stellen auch die Werkzeuge für Sonderanfertigungen selber her“, Aribert Meißner führt durch seine technische Werkstatt. Neben altbewährten traditionellen Maschinen findet sich hier ein hochmoderner 3D-Drucker – die effizientere Alternative zum Spritzgusswerkzeug, wenn es um Modelle von einem neuen Produkt geht.

In der DDR-Mangelwirtschaft musste man nicht viele Worte machen um Marken-Botschaften wie „Präzision“, „Innovation“ und „Perfektion“. Dass sich Thermoplast aus Schönhausen seit über 60 Jahren auf dem Markt behauptet, ist Beweis genug für den Wahrheitsgehalt der Werbematerialien, die Meißner jetzt drucken ließ, um sie mit zur Hannover Messe zu nehmen.

Quelle: Journalistin Kathrain Graubaum